Freitag, 16. September 2011

Urbanes (Er-) Leben


Der Beweis.




Zürich, den 13. September 2011

Die Schweiz und damit Zürich zeigt sich an diesem Dienstag wieder einmal von ihrer allerschönsten Seite: Ein prächtiger Altweibersommertag mit in lockerer Formation segelnden Kumuluswölkchen wie hingemalt an einem strahlend blauen Himmel begrüsst mich am Nachmittag einfahrts HB Zürich, die Luft mild und angenehm warm. Einmal mehr reise ich mit dem Zug anlässlich von unserem facebookcrossers meetup im Cafe Gloria am Abend.

Und wieder darf ich mich bei Spy unter ihrem Dach einlogieren, steige gleich mit ihr hoch auf die üppig begrünte Terrasse die Pflanzen zu giessen, beschliesse angesichts der Wärme in der nahen Limmat ein Bad zu nehmen, ein wohl letztes Mal in diesem Sommer, wenigstes für mich. Das Badekleid ziehe ich gleich über, nur mit einer Hose bekleidet und einem Tuch von Spy wetze ich los zu Fuss die paar Schritte über zwei Strassen zur Limmat hinab.

Das offizielle Flussbad am unteren Letten ist zwar schon geschlossen, macht aber nichts, denn gleich daneben ist noch „offen“. Zusammen mit anderen Badefans, jung und alt, punkig und proper, geht’s über die Absperrung unter der Fussgängerbrücke, wo die schöne Steintreppe bis ans Flussufer geht, ein, nein DER ideale Ort an und ins glasklare Wasser zu gelangen. Der Gehweg ist dort breit genug um sich auszustrecken, zu lesen oder einfach nur zu sein, das Wasser dort hat Trinkwasserqualität. (Wo in der Welt ausser in Zürich findet frau so was?) Es ist azurblau und smaragdgrün und glitzert in der klaren Herbstsonne. Und hier ist – im Gegensatz zum offiziellen Bad -die Strömung von Wasser auch weniger stark, sodass es sich angenehm im warmen Wasser planschen lässt.
Die Limmat fliesst hier ruhiger, zieht in der Nähe des Ufers fast gar nicht, sodass ohne Angst gefahrlos geschwommen werden kann. Es hat vier künstliche Steinhaufen im Fluss, die den Strom etwas kanalisieren, und und man so nicht mitgezogen wird. Was natürlich einige – erfahrenere? – Schwimmer und Schwimmerinnen nicht davon abhält, genau das tun, nämlich sich von der Strömung flussabwärts mitziehen zu lassen; etwas, das ich mich nicht getraute, denn wo und wie gefahrlos wieder ans Ufer gelangen? Für auswärtige Landeier wie mich ist dieser Spass nicht unbedingt empfehlenswert.
In den hoch über uns vorbeidonnernden Schnellzügen können die Reisenden auf uns herab sehen, wenn es etwas wie ein Paradies gäbe, müsste es hier sein.

Um halb Sechs mache ich mich über die Fussgängerbrücke und dem Damm entlang – halbblutt - durch das geschäftige Feierabend-Zürich auf den kurzen Nachhauseweg zum Reihenaltstadtwohnhaus vis-a-vis der Grossbaustelle von der ehemaligen Brauerei.

Im Gloria sind wir dieses Mal unser vier, MalLisa hat wie immer ihre gute Laune mitgebracht, was freute, wie die Fotos hier und auf facebookcrossers zeigen.

Die Zeit vergeht viel zu schnell, mir schwatzen, lachen, surfen, reden über Gott und die Welt und gute Bücher, schon bald ist es wieder 10 vorbei und Spy muss heim etwas essen. Sie lädt uns aber ein, in ihrem lauschigen Hinterhof noch einen Schlummertrunk zu nehmen.









MalLisa fährt mich mit ihrem Auto und verfährt sich, es ist kompliziert der Limmatstrasse entlang mit dem Auto und ich bin froh, dass ich nicht fahren muss. Bis wir dort sind ist es halb elf und sie möchte nun heim. So sitzen also Spy und ich und Steves Mac im Flutlicht vom Scheinwerfer unter dem Baumhaus, und sie kommt auf die Idee, noch ihren Freund, den Maler Hans Witschi via Skype anzurufen, und so sind wir plötzlich wieder drei am Tisch und wir quatschen gut und gerne 20 Minuten und amüsieren uns mit der Kamera, weil immer wieder der Scheinwerfer ausgeht und Hans uns dann nicht sehen kann, und von uns dann jemand aufstehen muss, damit er wieder angeht (Bewegungssensor). Seine Katze kommt gerade heim, er lenkt die Kamera auf sie so dass wir sie sehen können und schickt uns den link zu seinem New Yorker Appartment (very chic) im Internet. Hans wird im November für ein Symposium in die Schweiz kommen, und ja, mir gefällt seine Art von Malerei.
Nach einem ereignisreichen Tag erschöpft gegen 23h30 ins Bett und wunderbar geschlafen.

Am nächsten Morgen ist das Wetter trüb und nass, unten an der Tramhaltestelle sind bunte Regenschirme aufgespannt, auf der Grossbaustelle gegenüber glänzt der Boden vom Wasser. Der Herbst ist angekommen. Das Bad in der Limmat vom Vortag ein Geschenk des Himmels im wahrsten Sinne des Wortes. Zum Frühstück Pulverkaffee und Bürli mit Mayo und dann ab in die Stadt. Mache immer die gleiche Tour, erst im Seefeld ins Tigel , dann hinterm Gloria ins Brocki . Preise allgemein angucken und v.a. interessante Bücher finden selbstredend. Ein paar Schnäppchen im Brocki gefunden, sie hatten - Überraschung - einen grossen Tisch mit Einfrankenbüchern unten beim Eingang.
Zusammen mit den Büchern vom Shelf im Gloria, die dort von Unbekannt hingestellt wurden und noch nicht eingelesen sind und die ich deshalb mitnehme, schleppe ich ganz schön. Aber, göttingelobt, sind es überall nur ein paar Schritte bis zum nächsten ÖV, und beim Eisteigen bitte ich jeweils einen Mann mit starkem Arm um Hilfe, der mir mit meinem beladenen orangen Wägelchen immer gerne behilflich ist. Immerhin bin ich auch schon eine ältere Dame und muss nicht mehr alles selber machen.
Bein Abschied zeigte mir Spy noch den Suppenladen „Limmat-Lädeli „in ihrem Haus, das täglich frische und feine Suppen kocht und auch ein Büchergestell ist an der Wand, wo das bring&hol-Prinzip herrscht, Spy bringt hin und wieder Bookcrossing-Bücher dorthin, wo sie auch von unbekannt behändigt werden. Ich nehme drei mit, aber mehr geht nicht mehr: Ich bin beladen wie ein Packesel.

Im Tram zum Bahnhof passierte dann noch etwas Witziges: Am Limmatplatz steigen zwei dicke Afrikanerinnen im besten Alter ins Tram. Sie wollen eigentlich zusammen sitzen, dass geht aber nicht, weil der junge Mann, anstatt einen Sitz hinüber zu rutschen, einfach sitzen bleibt, so dass sich die Frauen den Mann in die Mitte nehmen und um ihn herumreden mussten, was sie auch lautstark taten. Die eine Frau war doch leicht irritiert über dieses etwas seltsame Verhalten des Mannes und sie lacht zu mir herüber und sagt mehr zu sich selber: „Ah, les Suisses.“ Ich grinse über alle Backen und, nachdem ich den Mann nochmals genauer in Augenschein nahm, erwidere ich: „Maybe he is British“, was sie aber nicht zu verstehen scheint. Der Mann verzog keine Mine bei dem Ganzen, blieb einfach steif sitzen. Er sah ein bisschen aus wie Mr. Bean, viel gefehlt hätte wirklich nicht, aber wenn er Englisch verstanden hat, dann hatte er sich sehr im Griff, was ja auch eher auf ein nordisches Temperament schliessen liesse.....

Wir werden es nie erfahren, woher er kam. Aber typisch schweizerisch ist das nicht, im Normalfall rückt man einen Sitz weiter in so einem Fall, v.a. da sich die Dicke ja an ihm vorbeizwängen musste um auf den Sitz neben ihm zu kommen.....aber sie schaffte es erstaunlicherweise, ohne dass er sich auch nur einen Milimeter bewegte. Wie kommt mir das vor? Schon eher „unschweizerisch“, was aber bei dem Vielvölkergemisch von heute in dieser Stadt irgendwie auch nachvollziehbar ist.

Mit einem perfekten Timing im Bahnhof auf den Zug, sogleich mit lesen angefangen, der ÖV brachte mich gut zurück in die eigenen vier Wände, wo ich jetzt wieder lange zehre vom Ausflug ins urbane ÖV -(Er)-Leben und nicht zuletzt von dem Bad in der kristallklaren Limmat. Danke an MalLisa und Spy-there für den gelungenen Abend.

Zum 40 sek-video unten: Das Grüppchen freundlicher Punks mit Hund und allem was sonst noch dazu gehört, wie Bierbüchsen, Hanfgeruch, etc, war nicht unbedingt mein erklärtes Lieblingsmotiv, vielmehr wollte ich damit die friedliche Stimmung hier unten am Letten einfangen, was mir, wie mir scheint, auch ganz gut gelungen ist (Boccaccio 2.0 lässt grüssen). Nur, als ich mit meiner alten coolpix, die so gar nicht wie eine Kamera aussieht, zu filmen anfing und dann auch ins Mikro zu reden begann, rief mir der dunkle italomässig aussehende, und als netter Kapo der Gruppe auftretende junge Mann sogleich herüber: "Hey, nöd filme bitttee" zu, was mich zwar im Redefluss stoppte, aber mein Finger blieb auf dem Knopf wie Figura zeigt :-D und ich weiter filmte, ihm dann aber noch - wie am Schluss zu hören - einen Knochen hinwarf…., das Versprechen aber dann doch bleiben liess, da ich annehme, dass auch er insgeheim im Internet unsterblich werden möchte, wenn auch nur für Sekunden und leider ganz und gar unscharf, sorry man. Und danke, dass ihr dort wart, auch wenn uns euer Hund, jedes Mal wenn er aus dem Fluss kam, ganz ungeniert nass spritzte, aber es war ja bloss das glitzernde Nass aus der Limmat und somit kurmässig total gesund, oder?

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