Mittwoch, 30. Mai 2012

Alles neu macht der Mai - judeldiduhö-tralla-tralla......

Bei meiner Zugfahrt zum Mai-meetup im Café Gloria sass neben mir im anderen Abteil, ebenfalls in Fahrtrichtung, ein altes Muttchen, bestimmt schon achtzig oder drüber. Da es noch Nachmittag ist, haben wir Platz, und ich schlüpfe aus meinen offenen Merell-Sneakers und lege die Beine hoch. Kurz vor Wil stelle ich fest, dass das alte Weiblein ebenfalls seine Beine hochgelagert hat, sie sind so kurz, dass sie fast nicht auf die gegenüberliegende Bank reichen. Leider steigt in Wil eine junge Frau ein und setzt sich vis-à-vis von ihr ans Fenster. Sie muss die Beine wieder herunter nehmen. Auch ich hatte meine Beine abgestellt, falls sich jemand zu mir setzten möchte. Da dies nicht der Fall war, lege ich sie, nachdem der Zug anrollt, wieder hinauf. Das Muttchen schaut auf dem Boden, macht sich ganz klein, rückt fast an den Rand vom Sitz, um die Beine abzustellen. In Winti steigt die Dame von gegenüber wieder aus, und tatsächlich kann unser Mütterchen nach Abfahrt ihre Beinchen wieder hochlegen.
Am Flughafen steigen dann aber so viele Leute ein, dass wir uns nicht mehr breit machen können, schon gar nicht die Füsse aufs andere Polster legen.

Die Episode will mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf und ich fragte mich, weshalb. Dann der zündende Gedanke: Das alte Weiblein, schon so um die 80, ist demzufolge um 1930 geboren, in einer Zeit, wo Gehorsam das oberste Gebot war. Sie hat die Mobilmachung und General Guisan erlebt, Hitler, die notorischen Nazis, auch in der Schweiz, die harten Zeiten, wo es noch keine AHV gab und „Arbeitsscheue“ oft kurzerhand in ein „Heim“ gesteckt wurden, denn bezahlte Arbeit war rar, damals wie heute.
Frauen, die keinen Mann hatten, konnten schauen wo sie blieben, und wehe, ein Mädchen wurde ungewollt schwanger und hatte keinen Mann, die konnte ebenfalls in einer Anstalt landen, wie z.B im „Der gute Hirte“ in Altstätten SG.
So waren die Zeiten als dieses Mütterchen jung war. Und jetzt getraut sie sich, ihre Füsse im Zug hochzulegen, sie, die zuerst an der Sitzkante sass, sich kaum getraute, ihren Sitzplatz auszufüllen, wurde durch meine Nonchalance womöglich dazu animiert, ebenfalls ihre Beinchen hochzulagern. Ich stelle mir vor, dass es für sie das erste Mal war, dass sie die Kühnheit ergriff, es zu wagen. So wie wir damals um 1970 im Freundeskreis zum ersten Mal sitzen blieben, als es darum ging, den Tisch abzuräumen und abzuwaschen. Es war ein epochaler Moment, als die Männer erst konsterniert guckten, sich dann lachend erhoben und in der Küche das Geschirr abwuschen, während wir im Wohnzimmer unseren neu gewonnenen Freiheiten frönten und für einmal NICHTS taten.
Gut angekommen in Zureich und gleich per Tram zu spys Haus und wie immer als erstes mein Dachzimmer bezogen. Am Abend im Café Gloria war es für einmal nicht ganz so spektakulär, der harte Kern war da, das Gloria mässig besetzt mit leise flüsternden Pärchen, einzelne mit Laptop, die das gratis W-lan vom Gloria benutzten, MalLisa wie immer in glänzender Laune. Wir ordneten das shelf, es hatte wieder zehn oder mehr Bücher, die von jemanden hingestellt wurden, die ich mitnahm zum einlesen.

Wir tranken und redeten und die Zeit verging wie immer im Flug, wir kamen nichtmal dazu, Hans anzuskypen. Die Damen gingen - begleitet von endlosem Gekicher - irgendwann hinaus eins rauchen, was mich immer wieder wundert, denn sie kennen sich schon seit 20 Jahren, und frau müsste meinen, dass ihnen der Gesprächsstoff einmal ausgeht...aber nichts dergleichen, mir bleibt das Staunen darüber.

MalLisa holte um 22h das Auto vor die Eingangstür, sodass wir nicht nass wurden, auch unsere Bücher und spys laptop blieben trocken, denn ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt und die Strassen glänzten schwarz bei unserer Heimfahrt im nächtlichen Zürich.

Geschlafen wie ein Stein.

Am nächsten Tag in die Migros am Limmatplatz frühstücken mit MalLisa, die fast verschlafen hätte, wenn ich sie nicht in weiser Voraussicht vorher angerufen hätte. Sie war dann aber zügig zur Stelle und wir genossen das sehr angenehme Restaurant im Eingangsbereich der MMM- Filiale bis fast zum Mittag. (Es gibt da ein Frühstückshit mit kleinem Fruchtsalat für Fr. 6.90, was mir angemessen erscheint für das teuere Pflaster, was Zürich heisst.)

Das Selbstbedienungs-Buffet
Sie wollte dann mit mir in ihrem Wagen, der im Gebäude geparkt war, ins Brocki-Land, was ich noch nicht kannte. Ich kam auf die Welt. So riesig ist das dort, dass ich mir nicht mal die Bücherabteilung ansehen konnte, es waren einfach zu viele, der reinste Bücher-overkill, ganz im ernst. Wir wanderten gut zwei Stunden herum, bis ich Durst bekam und auch sonst schon fast erledigt war von den vielen geschauten Sachen. Was mir fehlte, waren die richtig schönen Sachen, alte Teddys, Antiquitäten etc. Ich fragte MalLisa darnach, sie wusste auch nicht wo die waren. Sie wollte mir dann noch ein spezielles Italienisches Restaurant in der Nähe zeigen, und dabei kamen wir an der Dependance mit den Antiquitäten vom Brocki-Land vorbei.
Link zum Brocki-Land Zürich
Ein- und Ausgang vom Brocki-Land
Die Antiquitätenabteilung













Aha, da waren also die teuren Bärchen und alles weitere, zu Preisen, die es in sich hatten, wie in einem Antiquitätengeschäft halt. Die Teddys waren mir viel zu teuer, um auch nur daran zu denken, einen mitzunehmen. Beim Hinausgehen allerdings sah ich gerade noch den grauen Muranoglas-Elefanten, den ich so schmerzhaft seit einem Jahr vermisse (aber das ist eine andere Geschichte). Er war etwas grösser als der, den ich mein eigen nannte und mit Fr. 70.- gerade noch bezahlbar. Die nette Dame hat dann noch zehn Fränkli nachgelassen, sodass ich mein letztes Geld dafür ausgab. Aber ich hatte meinen grauen Glaselefanten wieder, der nun einen Ehrenplatz hat beim Fernseher, so dass ich ihn jetzt immer im Auge habe.
MalLisa wollte mit mir dann in den Letzipark, ein Einkaufsparadies, eines der Grösste, wir mir scheint.
Das Atrium im Letzipark

Dort im Atrium erholten wir uns von dem Stress im Brock-Land, nicht bevor wir uns in der komfortablen Toilette dort frisch gemacht hatten.
Fast so schön wie dieses hier in Hongkong
Es waren dort England zu Besuch, mit einem Stand und Infowänden, frau hätte ganz gerne etwas gekauft, aber leider war das Geld alle wegen dem Glaselefanten, so dass für einmal Verzicht angesagt war, aber die Limonenmarmelade dort hatte mich doch sehr angeheimelt mit ihrem giftigen Grün.
Mit MalLisas Wagen stimmte etwas nicht, er röchelte etwas, was für mich nicht, für sie schon etwas beunruhigend war, v.a. Da er doch vor Kurzem in der Werkstatt war. Wir hoffen das Beste und fegen damit durch Zürich wie ein Bisiwetter zurück in den Kreis 5.

Nun hiess es für mich zusammenpacken und abreisen und mich von spy und ihrer Gastfreundschaft verabschieden.

Bepackt mit Büchern wie ein Packesel reise ich per ÖV nach Hause ins alpine Vorgebirge, ins grüne Hügelland vom Alpstein, mit vielen neuen Eindrücken und einem neuen (alten) Glaselefanten, der mich für den Verlust des alten vollauf entschädigt, MalLisa seis gedankt.