Freitag, 10. Februar 2012

Apollonia lässt grüssen!


Anlässlich vom Gedenktag der Apollonia gestern wieder einmal nach Zürich ans facebookcrossersmeetup im Cafe Gloria gereist. Die Hinfahrt mit den ÖV war unspektakulär, abgesehen von der verschneiten Landschaft, wo bei die Scheiben der Bahn meist schneeverstäubt waren, aber die Rückfahrt hatte es in sich, aber davon später.

Bei Spy-there wartete schon das Dachzimmer an der Limmatstrasse, was heisst, dass ich dort ein weiteres Mal übernachtet habe, was immer mit Genuss verbunden ist, denn das Zimmer ist sehr schön mit dem alten versiegelten Holzriemenboden und der grasgrünen Wand beim Bett. Von zwei Seiten von Licht durchflutet und einen Blick auf den Kreis 5, Herz, was willst du mehr?

Am Abend im Gloria an unserem Tisch 3 Paar blanke Äugelein, also 6 Stück genau, die sich gegenseitig in Augenschein nahmen, und wir hatten ausnahmsweise für einmal Zeit, uns etwas persönlichere Geschichten zu erzählen. Wir, das waren Spy-there, MalLisa und meine Wenigkeit, also der allerhärteste Kern vom harten Kern der facebookcrossers-Gruppe. Spy erhielt von mir das Buch von Dieter Moor: „Was wir nicht haben, brauchen sie nicht: Geschichten aus der arschlochfreien Zone“, und wir durften erfahren, dass sie einmal mit Dieter Moor (ja, genau, derselbe, der nach Brandenburg, in den ehemaligen Osten, wovon alle flüchten, wie es heisst, ausgewandert ist) einen Film drehte mir ihr in der Hauptrolle. Der Titel aus dem Jahr 1981 lautet:Der Hunger, der Koch und das Paradies (Fernsehspiel, SRG/ZDF), und die Kritik darüber auf http://www.fkc.at/13iffi.htm#DER%20HUNGER
 ist sehr gut, so dass ich den Film sehr gerne einmal anschauen täte......
Hier die Details:
Erwin Keusch/Karl Saurer CH 1981- OF - 88min - 16mm - Mono
Dass selbst ein fast 25 Jahre alter 16mm-Film technisch besser ist als die grassierende Video-Seuche bewies Karl Saurer mit seinem Film über eine Reise durch die Restaurants der Schweiz in 13 Gängen, dabei ist ein junger Dieter Moor zu bewundern und die 13 Gänge beziehen sich auch auf die Beziehung zwischen dem Spitzenkoch und einer Kellnerin, die immer wieder vom Arbeiten in Ausland träumen…
**** herausragendes Beispiel eines perfekt gemachten dokumentarischen Spielfilmes über das professionelle Kochen von der Werkskantine bis zur Top-Gastronomie bei politischen Gipfeltreffen.



Auch MalLisa erzählte aus ihrem Leben, so dass wir uns scheibchenweise immer etwas näher kennen lernen.
Spy brachte u.a. das zweite Buch von Reine Paholo mit, das wir beide jetzt gelesen haben, und Spy erzählt MalLisa, dass die Königin meine facebookfreundin ist, auf das hin sie das Buch zum lesen mitnimmt. Bin also sehr gespannt darauf, was sie von dem biografischen Buch über die mittlerweile waschechte Afrikanischen Auswanderin hält.

Auch brachte Spy einen schmackhaften veganen Kuchen mit, den wir mit Genuss verzehrten. (Der nette Chef vom Cafe Gloria lässt uns gewähren, und MalLisa übernimmt grosszügig unsere Konsumation in flüssiger Form, danke sehr dafür an dieser Stelle.)
Spy zeigt mir auf ihrem mitgebrachten MacBookPro, wie ich meine Bücher direkt aufs shelf vom Gloria poste, also: in die Wildnis freilassen anklicken und nicht Weitergabe, was ich immer (falsch) machte. (Diese Info ist nur für BC-lerInnen, interessant imfall.)


An dieser Stelle auch mal Dank an Spy für ihre wie immer sinnigen meetup-icons, kleine Kunstwerke, welche Arbeit geben, wie wir alle wissen. (Fotos vom meetup gibt es dieses Mal keine, die Zeit verging wie im Fluge, wir kamen einfach nicht dazu.)



Gegen 22h, der Schnee rieselte leise, wurde frau von MalLisa in ihrem Ford Mondeo nach Hause gefahren, wo wir dieses Mal den Rank noch ganz knapp erwischten, fast hätte sie sich wieder verfahren im Autoverkehrstschungel, aber nur fast. Mit diesem Wagen würde ich gerne einmal nach Cadiz oder nach Marokko fahren, speziell bei diesen eisigen Temperaturen.....denn heute ging zudem noch eine gemeine, eiskalte Bise, die wie Messer in die Wangen schnitt, aber mit meinem warmen Schal über der Nase so vermummt Frau Bise ein Schnippchen schlage.

Meine letzte Lektüre? Agota Kristof: Das grosse Heft.
Gerne würde ich es hier empfehlen, ABER. Aber es sollten es nur lesen, wer entweder abgebrüht ist was Kriegserlebnisse anbelangt (schwierig, nicht?), oder wer soweit abgeklärt ist, dass er sich die Schilderungen im Buch meint zumuten zu können....denn bei Agota ist jeder Satz wie ein geschliffenes Messer, wer nicht aufpasst, wird damit gemetzelt, meuchlings, und unerbittlich. Hier erfahrt ihr wie es wirklich zugeht in einem Krieg, und wie die 66 Millionen Tote vom Dritten Reich AUCH zustande kamen, also nichts für zarte Gemüter. Ich musste auch alt werden, bis ich so ein Hammer-Buch (das bloss ein schmales Büchlein bei Piper ist) ganz lesen konnte, und ich habe Verständnis, wenn jemand sagt: Das ist nichts für mich. Denn Agota sorgt dafür, dass es auch uns noch weh tut, wenn wir nach über 60 Jahren lesen, was sie zu sagen hat über die Vorkommnisse damals in Ungarn.

Nun aber noch die Geschichte von der Rückfahrt nach H. Es war zwei Minuten zu spät für den Zug um 14h09 und 30 Minuten zu früh für den nächsten. Und da es in der Unterführung Sihlquai keinen Wartesaal gibt, wollte ich in den Burger-King etwas trinken, und dort an der Wärme warten. Gleich als ich eintrat und zu der Tafel wollte, wo die Konsumationen angeschlagen sind, stoppte mich die süsslich lispelnde Stimme der Asiatin am Kontor: „Thie müfhen etwaf tlinken.“ Meine Synapsen blockieren einen Moment zur Mattscheibe. Ja, was denn, ich möchte erst sehen was es gibt, reagiere ich ungehalten, und verzichtete dann im aufsteigenden Ärger auf eine Pappbecher braune Brühe für 3Fr.20 und rauschte wieder hinaus. Wie wäre es gewesen, wenn sie mich, so auf gut AMERIKAnisch, mit ihrem antrainierten Lächeln begrüsst hätte: „Wie kann ich ihnen helfen?“ oder: „Nehmen sie doch gleich hier Platz, hier ist es schön warm.“

Dies mein kurzer 30 Sekunden Ausflug in die Filiale vom Züri-Burger-Home-Land des Kapitalismus, den wir notabene auch in NY im 83 schon einmal als gnadenlos erlebten, nicht erst hier im eisig kalten Zureich, davon aber vielleicht ein ander Mal.

Also mit meiner roten Reisetasche (mit Rollen gottlob) auf die andere Seite der Passage gewatschelt , hoffend, dass sich dort ein warmer Ort auftäte...aber leider Fehlanzeige. Also wieder zurück und mit der Rolltreppe hinauf auf Gleis 12 und dort, mit ein paar anderen Unentwegten auf dem eiskalten Rost der Wartebank platz genommen, vertrauend auf meine Mongolischen Gene, dass der Körper die knapp 20 Minuten warten im Freien bei Minus 8 Grad schon gut überstehe, obwohl die Knie in der Kälte schon knarzten. 

Bald kam der Zug, und nichts wie hinein, aber oh Schreck, vergessen, die Mehrfahrtenkarte zu entwerten, gerade noch rechtzeitig daran gedacht, also mit einem Adrenalinschub wieder raus auf den Perron, nach vorne gerannt - wo ist der Orange Apparat zum entwerten, nein, zurück, beim Aufgang muss einer sein. Und ja, da war er und rasch wieder in den Zug, der bald abfährt. Da ich in der Regel mit einem Retourbillet ausgestattet bin, ist das immer ein Stress, daran zu denken, mit welchem Billet ich jetzt unterwegs bin.
Schräg visavis von mir sitzt eine jüngere Asiatin, in ihre Lektüre vertieft, ich in mein 20Minuten, und dann kommt noch ein baumlanger - Jawasdennnun? und setzt sich zu uns, mir gegenüber. Er spricht in sein Handy in einer für mich absolut fremden Sprache, Pakistanisch etwa? In Winti steigt die Asiatin aus und ich lege das 20 Minuten hin und nehme meinen Wolf Hass mit „Ausgebremst“ zur Hand. Der Fremde rückt auf den freigewordenen Fensterplatz und nimmt sich das 20 Minuten, blättert darin, sein Handy klingelt wieder, und wieder diese seltsame unbekannte Sprache. Irgendwann gucken wir uns an, er lächelt mir zu und ich wage zu fragen welche Sprache er spricht, was mich auch wirklich interessiert. Er scheint kein Deutsch zu verstehen, also probiere ich es mit Englisch. Auch Fehlanzeige. Dann verstehe ich etwas wie „francais“....also probiere ich es auf Französisch, was leider auch nicht wirklich funktioniert. Nach minutenlangem Hinundher, in allen drei Sprachen, versteh ich dann immerhin, dass er seit 5 Monaten als Asylant aus dem Tibet hier ist. Ich sofort „Rikon, do you know Rikon?“ Es macht nicht dem Anschein. Ich schreibe ihm den Namen auf das 20 Minutenheft. RIKON –TIBETAN TEMPLE....er starrt lange auf die Schriftzeichen, ich lese sie laut vor, zeige mit dem Finger auf die Silben. Dann! Heureka! Ein erkennendes Lächeln erleuchtet sein Antlitz, „Ah, Tibet Monasteri....“ er hat also schon mal davon gehört. Ich versuche ihm zu erklären, dass in Rikon eine grosse Gemeinde von Tibetern lebt, aber ,wie es scheinen will, hat er keinen grossen Kontakt zu ihnen und schon wieder geht sein Telefon, er wird wohl instruiert wohin es gehen soll in St. Gallen, wo seine Reise im Zug endet, wie er mir zu sagen im stande ist. Selbstredend hört der ganze Zug mit, denn wir sind die Einzigen die sprechen.
Bald schon sind wir in Gossau SG angelangt und es heisst Abschied nehmen.

Es freut mich immer wieder Leute aus anderen Kontinenten und Kulturkreisen zu treffen, da mir doch schon seit Jahren der Mut fehlt, und nicht mehr aus Europa heraus bin, was nicht dramatisch ist, denn Reisen ist jetzt anders als in meiner Jugend, sie sind nun kürzer und erst jetzt entdecke ich den Osten Europas. Mit bookcrossing haben wir die Möglichkeit Menschen aus aller Welt zu treffen, die gerne hier nach Europa kommen, wie z.B. Makita21 aus Down Under, die wir in Amstermdamse boos angetroffen hatten, wir uns auf Anhieb glänzend verstanden, und wir nun via Skype  hin und wieder gemütlich Chatten, sie an Abend, ich am frühen Vormittag, und ja, es hilft, dass auch sie Deutsch als ihre Muttersprache hat.

„It’s all about people“ wie mein Amerikanischer Fast-Schwiegersohn einmal ausrief, als hätte ihn DIE Erkenntnis getroffen - und ja, auch haben wir Alle eine Zeitbombe in uns, die unerbittlich tickt und die „Tod“ heisst, und wir einander deshalb helfen sollten, diesen kurzen Funken Leben möglichst gut zu leben. So wie Gestern und Heute für mich einfach nur „GUT“ waren.
ZumAbschluss noch ein witziges Bild aus Ungarn...wie wohl unser Bild aussähe? Vielleicht hat Spy eine zündende Idee?